Amateurfunk


Die Geschichte des Amateurfunkdienstes

Pionierzeit

Die Pioniere der Funktechnik, wie Heinrich Hertz oder Guglielmo Marconi, schufen in den beiden letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts die Grundlagen der heutigen Funktechnik. In der Pionierzeit gab es nur wenige Regulierungen. Das führte in vielen Ländern zu einem Chaos auf den Frequenzen. 1906 wurde in Berlin die Convention Radiotélégraphique Internationale beschlossen, die beispielsweise größere Schiffe zum Betrieb einer Funkstation verpflichtete. Diese Konvention ratifizierten die USA erst wenige Monate vor der Titanic-Katastrophe.

Als die Titanic 1912 sank, hätte eine bessere Kommunikation die Zahl der Opfer deutlich senken können. Das führte in den USA zum Radio Act of 1912, der unter anderem „private Funkstationen“ auf Wellenlängen unterhalb von 200 m (über 1,5 MHz) verwies, ihre Sendeleistung auf 1 kW Input begrenzte und offizielle Rufzeichen einführte. Diese Kurzwellen-Frequenzen hielt man damals für wertlos, da man irrtümlich nur eine geringe Reichweite vermutete. Der 2. Weltfunkvertrag von 1912 spricht erstmals von „privaten Funkstationen“, ohne den Begriff näher zu definieren. Offiziell taucht der Begriff „Funkamateur“ bei der Washingtoner Welt-Wellenkonferenz 1927 auf.

In den USA gab es bis 1939 Experimentalstationen, deren Rufzeichenschema dem bis heute bei den US-Funkamateuren üblichen entspricht (1–2 Buchstaben aus dem ITU-Rufzeichenblock der USA, 1 Zahl, 1–3 Buchstaben). 1939 durften solche Experimentalstationen ins kommerzielle Lager wechseln, dann natürlich mit den Rufzeichen aus 3–4 Buchstaben, die auch bis heute üblich sind.

Die Geschichte des Amateurfunkdienstes verlief in der Anfangszeit in den einzelnen Staaten sehr unterschiedlich. Viele Länder, wie die USAGroßbritannien und Frankreich standen dem Thema sehr liberal gegenüber und förderten die Entwicklung. So gab der britische Generalpostmeister 1905 die ersten gedruckten Experimentierlizenzen an Amateure aus.

Andere Länder, wie beispielsweise Deutschland, sahen den Amateurfunk misstrauisch und waren eher bestrebt, die staatliche Fernmeldehoheit und das Postmonopol zu schützen.

In den USA gab es ab 1905 für 8,50 Dollar den „Telimco-Telegraphen“ frei zu kaufen, mit dem man etwa eine Meile überbrücken konnte. Bedingt durch den Ersten Weltkrieg war der private Funkbetrieb auch in den USA von 1914 bis 1919 verboten.

Deutschland bis 1945

Bis 1924 galt allein das „Gesetz über das Telegrafenwesen des Deutschen Reiches“ vom 6. April 1892, das dem Staat das absolute Fernmeldemonopol sicherte. Am 24. Mai 1924 veröffentlichte das Reichspostministerium eine Verfügung, die das Rundfunkwesen neu regelte. Ab da konnten Privatpersonen die „Audionversuchserlaubnis“ erwerben, die den Besitz und den Betrieb eines einfachen Empfängers erlaubte. Das war eine reine Empfangserlaubnis. Bis dahin war selbst der Besitz eines Empfängers verboten. In Deutschland wurden einige wenige Clubstationen lizenziert, während es in Großbritannien zur gleichen Zeit schon 1200 offiziell lizenzierte Funkamateure gab. Ende Mai 1933 wurden 180 alte „Schwarzfunker“ offiziell lizenziert – wohl aus Propagandagründen. Mit Kriegsbeginn am 1. September 1939 wurden alle 529 erteilten Lizenzen eingezogen.

Während des Zweiten Weltkriegs wurde eine niedrige dreistellige Zahl von Kriegsfunkgenehmigungen (KFSG) ausgegeben. Während des Krieges erkannte man auch den Wert der Kenntnisse, die sich Funkamateure erworben hatten und versuchte, sie in der Industrie oder in Funkdienststellen nutzbar zu machen.

Bundesrepublik Deutschland nach 1945

Nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches galt zunächst, für jede der vier Besatzungszonen getrennt, alliiertes Militärrecht. Unkontrollierte Kommunikation ist in solchen Fällen immer suspekt. Zonen-übergreifende Organisationen waren nicht möglich, Kommunikation und Reisen nur schwer möglich. Die französische Verwaltung war bedeutend restriktiver als die britische und vor allem als die amerikanische. Die sowjetische Zone war fast völlig isoliert. Die erste Kurzwellentagung nach dem Krieg fand am 7. und 8. Juni 1947 in Stuttgart statt und hatte rund 500 Teilnehmer. In der amerikanischen und britischen Zone war manches Gentlemen’s Agreement möglich. So konnte schon 1947 die QSL-Karten-Vermittlung „Box 585, Stuttgart“ eröffnet werden.

Ihre Bewährungsprobe mussten Organisation und Disziplin der deutschen Funkamateure in der Zeit von 23. bis 30. April 1948 bestehen: Die deutschen Funkamateure verpflichteten sich gegenüber der Militärregierung zu absoluter Funkstille, die auch fast vollständig eingehalten wurde. Anschließend überschlugen sich die Ereignisse: Vom 8. bis 9. Mai 1948 fand in Bad Lauterberg eine Kurzwellentagung statt, bei der sich die Amateurfunkverbände der Westzonen vereinigten. Kurz darauf kündigte die Deutsche Post an, dass ab Mai 1948 Amateurfunk-Lizenzprüfungen stattfinden sollten. Das Amateurfunkgesetz ließ dann aber doch noch bis zum 19. Januar 1949 auf sich warten. Damit konnten im Vereinigten Wirtschaftsgebiet offiziell Amateurfunklizenzen ausgegeben werden. Das erste Amateurfunkgesetz ist also älter als das deutsche Grundgesetz.

Das Saarland war nach dem Krieg von Frankreich annektiert worden, galt also nicht mehr als Teil Deutschlands. Hier trat das erste Amateurfunkgesetz erst am 4. April 1951 in Kraft.

Am 1. Januar 1954 waren in der Bundesrepublik Deutschland 3389 Funkamateure lizenziert. Am 31. Dezember 2017 waren bei der Bundesnetzagentur 64.548 Funkamateure der Klasse A und E registriert. Höhepunkt der Anzahl war der Stichtag (31. Dezember) des Jahres 2002 mit 80.874 Amateurfunkzulassungen. Seitdem geht diese Anzahl stetig zurück. So waren es 2019 nur noch 63.070 Amateurfunkzulassungen.

DDR

DDR-Funkamateur im Jahre 1978 an einem Teltow 215B

Die erste offizielle Erwähnung des Amateurfunks auf dem Gebiet der DDR gab es 1950 im Rahmen der Freien Deutschen Jugend (FDJ). Dort gab es „Interessengemeinschaften für Sondersportarten“, aus denen die Gesellschaft für Sport und Technik (GST) hervorging. Ein Schreiben des Initiativkomitees zur Gründung der GST erwähnt die Forderung Jugendlicher nach Ausübung des Amateurfunks. Die GST gab dann die Zeitschrift Sport und Technik heraus, die regelmäßig nachrichtentechnische Beiträge enthielt. Daraus entstand die Zeitschrift Funkamateur, die nach der Wende privatisiert wurde und bis heute existiert.

Am 6. Februar 1953 wurde die „Verordnung über den Amateurfunk“ verkündet. Die ersten Lizenzen wurden am 14. Juli 1953 ausgegeben. Eine Amateurfunklizenz war in der DDR immer an die Mitgliedschaft in der Gesellschaft für Sport und Technik (GST) gebunden.

Die GST förderte durch materielle Zuwendungen die Errichtung sogenannter Klubstationen, an denen mehrere Funkamateure die meist selbst gebaute Technik gemeinsam nutzen konnten. Mitunter wurden den Klubstationen neue kommerzielle Geräte – Beispiele sind der KW-Empfänger Dabendorf sowie der Transceiver Teltow 215B – sowie auch ausgesonderte Geräte der bewaffneten Organe der DDR zur Verfügung gestellt. Neben dem Klubstationsleiter (Chefoperator) gab es lizenzierte sogenannte Mitbenutzer der Amateurfunkstelle, deren Rufzeichen aus dem Stationsrufzeichen abgeleitet wurde. Die Klubstationen haben sich bei der Ausbildung am Amateurfunk Interessierter sehr verdient gemacht. Nach erfolgreicher Prüfung entsprechend dem Amateurfunkgesetz der DDR und der Zulassung durch das MfS wurden Privatlizenzen an Einzelpersonen erteilt.

Österreich

Amateurfunk-Kurzwellenstation HB9SG der Schweizer USKA, Sektion St. Gallen für Contest-Betrieb. Links im Bild der Kurzwellen-Sende-Empfänger. In der Mitte ein Antennenanpassgerät, die Steuerung für den Rotor (die Antenne ist drehbar) und eine SWR-Messbrücke, rechts ein Leistungsverstärker (1 kW). Auf dem Computer ein Programm zum Erfassen der Verbindungen (Swiss-Log)

Am 23. April 1954 wurde die erste Lizenzurkunde ausgegeben, an den Präsidenten des ÖVSV, Erwin Heitler, OE1ER.

Die Amateurfunk-Aktivitäten in Österreich sind aber bedeutend älter: Der Österreichische Versuchssenderverband (ÖVSV) wurde 1926 (nach anderer Quelle im Oktober 1925) gegründet. Die „OEM“, das Mitteilungsblatt des ÖVSV erschien 1933 bis 1938 (also wohl bis zum Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich) und dann wieder ab 1945. Seit 1975 erscheint die Zeitschrift unter dem Titel QSP.

Schweiz

Wie damals üblich, begann der Amateurfunk auch in der Schweiz um den Ersten Weltkrieg als „Schwarzfunk“. Juristisch konnte man ab dem 1. Juli 1925 an der Obertelegraphen-Direktion die Prüfung für eine Sendekonzession ablegen. Die erste Lizenz wurde im April 1926 ausgegeben. Die ersten offiziellen Rufzeichen hatten das Präfix H9, das noch vor 1930 durch HB9 ersetzt wurde.

Aspekte des Amateurfunkes

Der Amateurfunk hat vielen technisch interessierten Menschen den Zugang zu Elektronik und Nachrichtentechnik geebnet. Damit leistete er einen erheblichen Beitrag zur Förderung des technisch-wissenschaftlichen Nachwuchses. Entsprechend förderten Institutionen wie die Deutsche BundespostDeutsche Telekomdas Technische Hilfswerk oder die Bundeswehr den Amateurfunk. In der Deutschen Demokratischen Republik gehörte der Amateurfunk zur paramilitärischen Ausbildung; der Zugang zum Amateurfunk war nur über die Gesellschaft für Sport und Technik möglich.

Eine wichtige Aufgabe des Amateurfunks sollte die Völkerverständigung sein. Verbindungen zwischen Funkamateuren aus West und Ost waren auch zu Zeiten des Kalten Krieges möglich, wobei die Nachrichteninhalte system- und vorschriftsbedingt eingeschränkt waren. Heute bieten Internet und niedrige Telefon- oder Flugkosten gute Alternativen, nicht jedoch in Schwellenländern mit niedriger Internetabdeckung.

Der Reiz des Amateurfunks liegt auch darin, den geographischen Standort der Gegenstelle zu kennen, um daraus Rückschlüsse auf das Zustandekommen der Verbindung über die Ionosphäre ziehen zu können.

Amateurfunk im Not- und Katastrophenfall

Der Amateurfunk wirkte immer wieder nachhaltig unterstützend bei der Katastrophenhilfe. Besonders in Flächenländern und fragiler Infrastruktur führen Naturkatastrophen und Großschadensereignisse immer wieder zum vollständigen Ausfall der regulären Kommunikations-Infrastruktur.

Historisch wurden in Mitteleuropa Amateurfunkverbindungen bei der Hamburger Sturmflut oder der Lawinenkatastrophe von Galtür genutzt, weil andere Kommunikationswege ausgefallen waren. Bei der nach der Flutkatastrophe von 1953 modellierten multinationalen Übung FloodEx waren 2009 Notfunker vor allem aus den Niederlanden und Großbritannien fest eingebunden, weil die Lage den weitgehenden Ausfall des Bündelfunknetzes TETRA simulierte. Amateurfunk ist ebenfalls ein wichtiges Standbein der Kommunikation von im Ausland eingesetzten Helfern mit dem Heimatland, denn auch die lizenzfreie Satellitentelefontechnik funktioniert nicht immer zuverlässig.

Indische Amateurfunkstation VU4RBI einige Tage vor der Tsunami-Katastrophe 2004, in der sie durch ihre Notfunk-Aktivitäten bekannt wurde

In dünn besiedelten Regionen der Erde mit mangelhafter Telekommunikations-Infrastruktur kann der Amateurfunk in Not- oder Katastrophenfällen ein erstes Mittel zur Nachrichtenübermittlung darstellen. Die Freiräume des Amateurfunkdienstes ermöglichen auch unkonventionelle Lösungen wie ein 2-m- und 80-m-Relais in Namibia: Rund um Windhoek kann man es wie ein ganz normales UKW-Relais nutzen, während Funkamateure im restlichen Land den 80-m-Zugang nutzen können. Über den Echolink-Anschluss ist der Rest der Welt problemlos zu erreichen.

Manch ein Leben ist durch die Übermittlung eines Notrufes durch Funkamateure gerettet worden und so mancher Angehörige eines Katastrophenopfers konnte auf diesem Wege etwas über den Verbleib eines Verwandten erfahren.

In den dicht besiedelten Regionen der Erde, also etwa den Industrieländern der nördlichen Halbkugel, existiert heute eine Vielzahl öffentlicher und behördlicher Kommunikationsmittel. Katastrophen von der Hamburger Sturmflut 1962 bis zu den Erdbeben- und Tsunami-Katastrophen im Indischen Ozean Dezember 2004 und in Japan im Jahr 2011 haben gezeigt, dass diese hochtechnologischen öffentlichen Kommunikationsnetze anfällig gegenüber Störungen sind.

Selbst wenn Hilfsdienste mit ihren eigenen Funksystemen vor Ort sind, kann der Amateurfunk eine wichtige Rolle übernehmen: Viele der benutzten Funksysteme sind nicht interoperabel, der Hilfsdienst A kann keinen Funkkontakt mit Hilfsdienst B aufnehmen. Funkamateure können diese Grenze häufig mit ihrer eigenen Technik und mit den beim Hobby erworbenen Kenntnissen überbrücken.

Wandelndes Umfeld des Amateurfunks in Deutschland

Seit etwa 1990 wird der Amateurfunk in der Gesellschaft weniger deutlich wahrgenommen, was sich am geringer werdenden Nachwuchs bemerkbar macht. Die Gründe dafür sind vielfältig: Jungen Menschen bietet sich eine Vielzahl an Möglichkeiten für ein technisches Hobby. Das Alleinstellungsmerkmal des Amateurfunks, der Umgang mit Hochfrequenztechnik wird bei frei zugänglichem Internet oft nicht mehr als notwendig erachtet. Die Einstiegsschwelle zum Erhalt einer Amateurfunklizenz ist stark formalisiert. In städtischem Umfeld bieten sich kaum Möglichkeiten zur Errichtung von Antennen.

Weitere Umstände, die den Amateurfunk ungünstig beeinflussen können:

  • Drahtlose Kommunikation ist für Anwender einfacher und allgegenwärtig geworden. Die dahinterstehenden digitalen Systeme sind allerdings komplexer und ermöglichen dem Benutzer kaum eine Beschäftigung mit der zugrundeliegenden (Hardware-)Technik.
  • Die Faszination des Kontakts mit unbekannten Partnern aus der ganzen Welt kann heute ebenso in Chatrooms und in Internet-Foren erlebt werden.
  • Durch die enorme Verbreitung von Mobiltelefonen usw. ist es jedermann möglich, schnell Informationen mit Gesprächspartnern auszutauschen, was vorher ein Privileg der Funkamateure mit ihren portablen Funkgeräten war.
  • Die starke Verbreitung mangelhafter und billiger elektronischer Geräte führt zu immer mehr Problemen mit deren Nichteinhaltung der Elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV). So treten im Amateurfunk Störungen beispielsweise durch das Kabelfernsehen oder durch Störabstrahlungen aus elektronischen Geräten durch mangelhaft ausgeführte Installationen auf. Insbesondere Powerline Communication (PLC) ist ein sehr großes Problem, bei dem Amateurfunkverbände auch Musterklagen anstrengen.
  • Der Eigenbau von Amateurfunkgeräten ist seit etwa 1970 zurückgegangen und wurde durch das Kaufen von fertigen Geräten oder das Kombinieren von fertigen Baugruppen und Komponenten ersetzt. Das wurde dadurch erleichtert, dass diese Komponenten nur noch einen Bruchteil ihrer früheren Preise kosteten. Funkamateure, die sich ausschließlich kommerzieller Produkte bedienen und kaum bis gar nicht mehr selbst bauen, werden scherzhaft auch als „Steckdosenamateure“ bezeichnet.[42] Moderne Konzepte wie Software Defined Radio fördern den Selbstbau einfacher Konstruktionen bei ausgezeichneter Performance.

Auch heute sind aus dem Bereich des Amateurfunks Veröffentlichungen in wissenschaftlicher Qualität zu beobachten. In Amateurfunksatelliten werden innovative Techniken erforscht. An vielen Universitäten gibt es Vereinigungen von Funkamateuren, deren Mitglieder, meist Studenten und Mitarbeiter technischer Fachrichtungen, in selbstorganisierter Teamarbeit teils sehr anspruchsvolle und aufwendige Projekte realisieren. Diese werden meist als Hobbyprojekt einer ohnehin vorhandenen fachlichen Qualifikation durchgeführt. Ingenieure der Universität Wuppertal experimentierten beispielsweise mit digitalem Amateurfunkfernsehen (DATV) der Universität Wuppertal. Mit Satellitenkommunikation experimentierte eine Amateurfunkgruppe an der TU München.[46] Die Amateurfunkgruppe der RWTH Aachen am Institut für Hochfrequenztechnik verbindet ebenfalls akademische Ingenieurwissenschaft mit dem praktisch umgesetzten Amateurfunk.

Quelle: Wikipedia

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